Für viele Instrumentallehrer war es der Sprung ins kalte Wasser. Wegen der Corona-Pandemie mussten die meisten von ihnen von heute auf morgen von analog auf digital umschalten und online unterrichten: Neuland, das der innovative und experimentierfreudige Trompetenlehrer Daniel Forsnabba schon vor Jahren betreten hat. Seit Herbst 2017 gibt er ausschließlich über das Internet Unterricht. Welche Vorteile diese Art des Unterrichtens hat, das berichtet Forsnabba im Interview.

blasmusik: Herr Forsnabba, Sie haben zunächst „ganz normal“ an einem Konservatorium in Finnland Trompete unterrichtet. Wie kam es, dass Sie die Musikschule gegen den virtuellen Raum eingetauscht haben?

Forsnabba: Als ich nach Finnland ausgewandert war und begonnen hatte, zu unterrichten, habe ich einfach kein passendes Unterrichtsmaterial gefunden und eben selbst eine Trompetenschule geschrieben. Die habe ich im Internet beworben. Und wie es eben so geht, kam zu der Website ein Blog dazu, dann habe ich Artikel geschrieben, es kamen Anfragen per E-Mail, und so bin ich da irgendwie immer mehr reingeschlittert. Irgendwann habe ich YouTube-Videos aufgenommen und damit begonnen, Fragen nicht mehr per E-Mail zu beantworten, weil das Medium Schrift eben doch begrenzt ist. Manchmal habe ich mit den Leuten auch kurz geskypt. Und so hat sich das dann immer weiter entwickelt.

blasmusik: Viele Instrumentallehrer und ihre Schüler haben wegen der Corona-Pandemie den Sprung ins kalte Wasser gewagt, dann aber die Erfahrung gemacht, dass Online-Unterricht eigentlich ganz gut funktioniert. Liegt in der Krise auch eine Chance, verkrustete Strukturen und Denkweisen aufzubrechen? Anders gefragt: Bekommen Sie im Internet jetzt mehr Konkurrenz?

Forsnabba: Gerade für Kinder sind der persönliche Kontakt und die Anbindung zum Lehrer enorm wichtig. Es geht ja im Unterricht nicht nur um Spieltechnik oder darum, den Notentext korrekt auszuführen: Viele Dinge werden nonverbal vermittelt, manche Details sind online schlicht nicht hörbar und Zusammenspiel funktioniert auch nicht. Ich denke, dass Online-Unterricht für ältere Schüler eine Alternative oder Ergänzung sein kann und dass darin ein großes, bisher brachliegendes Potenzial für Musikschulen liegt. Über Konkurrenz mache ich mir keine Sorgen, im Gegenteil! Mit einigen Kollegen, die Online-Unterricht spannend finden, habe ich Kooperationen und neue Online-Projekte gestartet.

blasmusik: Bedienen Sie im Internet eine andere Zielgruppe als in der Musikschule?

Forsnabba: Ja, ich unterrichte ausschließlich Jugendliche und Erwachsene. Und ich bin darauf spezialisiert meinen Schülern zu helfen, Probleme zu lösen und spieltechnische Fertigkeiten zu entwickeln.

blasmusik: Instrumentalspiel, und das wissen Sie als ausgebildeter Alexander-Technik-Lehrer ja nur zu gut, ist eine Sache, die Körper und Geist gleichermaßen fordert. Kommt die digitale Kommunikationstechnik da nicht schnell an ihre Grenzen, wenn es darum geht Ansatz, Körperhaltung etc. zu korrigieren?

Forsnabba: Ihre Frage impliziert eine Trennung von Körper und Geist. Es ist jedoch so, dass beide in der Praxis untrennbar sind. So ist die Körperhaltung immer (auch) ein Spiegel der inneren Haltung. Anders gesagt ist die Koordination des Körpers immer auch Ausdruck meiner Absicht. Wenn ich zum Beispiel einen hohen Ton unbedingt erreichen will oder im wahrsten Sinne des Wortes „hartnäckig“ übe (hartnäckig ‒ mit hartem, verspanntem Nacken), dann wird mein Körper sich dieser inneren Einstellung gemäß koordinieren. An solchen unkonstruktiven Ideen kann man auch online wunderbar arbeiten. Der Körper folgt unmittelbar.

blasmusik: Auf Ihrer Website bieten Sie keine einzelnen Unterrichtsstunden, sondern flexible Unterrichtspakete an. Welche Philosophie steckt dahinter?

Forsnabba: Einzelne Impulse können sehr wichtig sein. Lernen braucht aber Zeit. Meistens geht es also um einen längeren Lernprozess und fünf Stunden sind das Minimum, um einen bleibenden Erfolg zu erzielen. Übrigens: Ich bin sehr flexibel und wenn man mich freundlich fragt, kann man auch ausnahmsweise eine einzelne Stunde buchen.

blasmusik: Und Sie bieten sogar Gruppenunterricht an. Wie funktioniert das praktisch und welche Erfahrungen haben Sie damit?

Forsnabba: Die Erfahrungen sind sehr positiv, anders als meine Erfahrungen mit Gruppenunterricht an Musikschulen. Dort war es etwas überzeichnet so, dass einige Kinder schnelle Fortschritte machten, die durch die langsameren ausgebremst wurden, welche wiederum durch die schnelleren frustriert waren. In meinen Online-Gruppen arbeiten die einzelnen Teilnehmer sehr selbstständig an ihren selbst gewählten Zielen und der Unterricht ist ein Reflektieren und ein Austausch. Gerade auch Teilnehmer von ganz unterschiedlichen Leistungsstufen lernen viel voneinander. Ich moderiere recht viel und die Schüler erleben den Gruppenunterricht als sehr motivierend.

blasmusik: Abgesehen von den technischen Voraussetzungen: Was muss ein Instrumentallehrer für einen gelingenden Online-Unterricht mitbringen?

Forsnabba: Kreativität, Flexibilität, Resilienz.

blasmusik: Aus Ihrem mehrjährigen Erfahrungsvorsprung heraus: Welche Chancen und Vorteile bietet Online-Unterricht?

Forsnabba: Es können Menschen erreicht werden, die niemals an eine Musikschule gehen würden. Manche wollen keine starren Strukturen wie z. B. 45 min. wöchentlicher Unterricht. Andere stört schon die Anfahrt oder die normalen Unterrichtszeiten. Außerdem hatte ich neben Deutschland, Österreich, Schweiz schon Schüler aus Tansania, Japan, England, Italien, Luxemburg, … Wer sich schon einmal selbst auf einer Aufnahme gehört hat, ist erstaunt, wie das klingt. So hört man auch online manche Aspekte überdeutlich, die live untergehen würden. Wenn man das gezielt nutzt, kann der vordergründige Nachteil „Technik“ zu einem Vorteil werden ‒ durch einen klareren Fokus und eine andere Wahrnehmung.


(Autor: Martina Faller | Erschienen in der Zeitschrift „blasmusik“ – Ausgabe Mai 2020 – Seiten 20 & 21)

Daniel Forsnabba studierte Instrumentalpädagogik mit Hauptfach Trompete bei Malte Burba, wo er spieltechnische Feinheiten und körperfunktionale Zusammenhänge in der Tiefe erforschte. In einer sich dem Studium anschließenden, dreijährigen Ausbildung zum Alexander-Technik- Lehrer widmete er sich intensiv den ganzheitlichen Zusammenhängen von Körper und Geist, was ihn in der Vermittlung des Trompetenspiels neue Wege beschreiten lässt. Acht Jahre lang arbeitete er als hauptamtlicher Trompetenlehrer am Konservatorium in Savonlinna in Finnland, wo er mit seiner Familie wohnte. 2017 beschloss er, den engen Rahmen eines Instituts zu verlassen und so arbeitet er jetzt als selbstständiger Musiker und Lehrer in Deutschland. Er ist Gründer und Betreiber des größten deutschsprachigen Blogs zum Thema Trompetespielen, Autor des Buches „Lebendiges TrompetenSpiel“ und Produzent mehrerer Videokurse. Auf seinem Blog finden sich interessante Beiträge und Podcasts zu verschiedenen Themen rund um das Trompetenspiel (z. B. Atmung, Höhentraining etc.) sowie spannende Gespräche mit Persönlichkeiten aus der Trompetenwelt.