Was ist ein “sinfonisches Blasorchester” oder was ist “sinfonische Blasmusik”?

Ein “Sinfonisches Blasorchester” ist vergleichbar mit einem klassischen Sinfonieorchester, bei dem jedoch bis auf einen Kontrabass keine Streicher vorhanden sind. Stattdessen sind alle Bläsergruppen und das Schlagwerk verstärkt vertreten. Die Klarinetten übernehmen den virtuosen Part der Violinen. Zusätzlich wird noch ein kompletter Saxophonsatz integriert und je nach Werk auch ein E-Bass oder Klavier integriert.

Die vielseitige Besetzung dieser Orchesterform stellt sowohl Komponisten als auch Arrangeuren ein großes Klangspektrum zur Verfügung. Im Zusammenspiel unterschiedlicher Holzblasinstrumente und Blechblasinstrumente können neue und einzigartige Klangfarben erzeugt werden. Es ist nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahren zunehmend im Bereich der Sinfonischen Blasmusik viele ausgezeichnete Arrangements und Originalkompositionen entstanden sind. Leider sind diese vielen jedoch unbekannt und all zu oft wird daher “Blasmusik” noch immer nur mit “schlecht klingender Bierzeltmusik” oder nur “Volksmusik” gleichgesetzt.

In den benachbarten Ländern Schweiz, Niederlande, Belgien, Frankreich, aber auch in den amerikanischen College-Wind-Bands ist die sinfonische Blasmusik seit langem fester Bestandteil. In Deutschland gibt es starke regionale Unterschiede. In Süddeutschland hat sich die Sinfonische Blasmusik in den letzten Jahren stark verbreitet und beginnt sich zu etablieren. Die Orchestergemeinschaft Seepark hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sinfonische Blasmusik zu fördern und insbesondere jungen Menschen die musikalische Bandbreite in dieser Sparte näher zu bringen. Dies immer verbunden mit moderner Unterhaltungsmusik, damit ein hohes Maß an “Spaß an der Musik” sichergestellt ist.

Beispiele für sinfonische Blasmusik

» Holst: Second Suite in F, III. Song of the Blacksmith

» Filmmusik zu “Robin Hood”

» Noahs Ark von Bert Appermont

» Dynamica von Jan van der Roost

» Year of the dragon von Philip Sparke

» Übersicht der Komponisten für Blasmusik-Werke

Zur Geschichte der Sinfonischen Blasmusik

Das klassische Sinfonieorchester – bestehend aus Streichern, Holz- und Blechbläsern, sowie Pauken und Schlagzeug – ist seit Mitte des 18. Jh. eine in der ganzen Welt fest etablierte  Besetzungsform. In Deutschland gibt es über 100 professionelle Sinfonieorchester, so gut wie alle Komponisten seit der Wiener Klassik haben für diese Besetzung geschrieben.

Das Sinfonische Blasorchester ist dagegen im klassischen Musikbetrieb bis heute eine eher exotische Formation geblieben. Außerhalb des Militärwesens gibt es in Deutschland kaum professionelle Blasorchester. Gleichwohl hat auch diese Besetzung eine lange Tradition, auch wenn seine Entwicklung nicht immer ganz geradlinig verlief.

Mittelalter: Hofmusiker und Stadtpfeifer

Im Mittelalter dienten Bläser hauptsächlich zur Repräsentation der höfischen Macht. Übliche Instrumente waren Flöten, Schalmeien, Trompeten und Posaunen. Eine fest notierte Besetzung kam jedoch erst im 16. Jh. auf. Zu diesem Zeitpunkt gelangte die kunstvolle höfische Bläsermusik (Bläser-Alta-Kunst) in Venedig zu einem Höhepunkt. Parallel zu den höfischen Blaskapellen entwickelten sich auch Stadtpfeifereien und Ratsmusiken, die den Wohlstand und die herrschaftliche Macht des aufstrebenden städtischen Bürgertums darstellen und bestätigen sollten. Noch heute gibt es besonders in Süddeutschland Stadtkapellen, deren Geschichte bis ins 15. Jh. zurückreicht.

Klassik: Harmoniemusiken

Mit der Einführung der temperierten Stimmung im Barockorchester des 17. Jahrhunderts wurden Weiterentwicklungen der Blasinstrumente nötig. Die ständige Verbesserung der Klappensysteme bei den Holzbläsern, sowie die Erfindung neuer Instrumente wie der Klarinette führten schließen zu dem modernen Bläserklang der Wiener Klassik.In dieser Zeit etablierte sich auch das in seiner Grundform noch heute bestehende Sinfonieorchester, an dessen Entwicklung die Mannheimer Hofkapelle maßgeblichen Anteil hatte. Die Bläsergruppe des Sinfonieorchesters bestand aus Flöten, Oboen, Fagotte, Hörnern, später auch Trompeten und Posaunen.Diese Gruppierung wurde als ‘Harmoniemusik’ bezeichnet und trat seit dem Ende des 18. Jh. auch als eigenständiges Ensemble auf.

Die Harmoniemusiken wurden besonders in den Adelshäusern als Unterhaltungsorchester eingesetzt. Sie eigneten sich besonders für Freiluftkonzerte und ermöglichte auch den niedrigeren Adligen, die sich große Orchester nicht leisten konnten, ihren Gästen den Genuss aktueller Kompositionen zu bieten. Dementsprechend bestand das damalige Repertoire einerseits aus ‘leichteren’ Originalkompositionen, anderseits aber vor allem aus Transkriptionen aktueller Opernwerke.

So beschwert sich Mozart in einem Brief an seinen Vater 1782 darüber, dass er sich mit der Bearbeitung einer seiner Opern beeilen müssen, da ihm sonst ein anderer zuvorkommen und den Profit davontragen könne und fügt hinzu:

“sie glauben nicht, wie schwer es ist so was auf die harmonie zu setzen – daß es den blaßinstrumenten eigen ist, und doch dabey nichts von der Wirkung verloren geht.”

Harmoniemusiken waren bis ins 19. Jh. weit verbreitet. 1824 ließ sich Felix Mendelssohn Bartholdy bei einem Kuraufenthalt von einer solchen Kapelle zu seiner ‘Ouvertüre für Harmoniemusik’ inspirieren.

19. Jahrhundert “Revolutionsmusiken und Militärkapellen”

Waren die Harmoniemusiken mit 6 – 12 Bläsern noch eindeutig kammermusikalisch besetzt, traten mit der Französischen Revolution erstmals chorisch besetzte Blasorchester auf den Plan: die Revolutionsmusiken. Diese entstanden aus einer Verbindung der bisherigen (kleineren) Militärkapellen mit den Harmoniemusiken und der Türkischen Janitscharenmusik, die vor allem das Schlagzeug in das Blasorchester einbrachte. Die Revolutionsmusiken bestanden aus bis zu 60 Mitgliedern und dienten vor allem zur musikalischen Begleitung der großen Revolutionsfeiern. Ermöglicht wurde dies unter anderem durch die Erfindung der Ventile zu Beginn des des 19. Jahrhunderts. Dadurch war auch den Blechbläsern das chromatische Spielen möglich. Zudem wurden verstärkt Blechblasinstrumente in der Tenor- und Baßlage entwickelt.

Nach dem Vorbild der Blasorchesters der Nationale Garde in Paris wurden auch in Deutschland zahlreiche Kapellen gegründet, die meisten im militärischen Bereich, aber auch Bergwerks- und Stadtkapellen. Die Militärorchester des 19. Jahrhunderts waren professionell organisiert und spielten auf höchstem Niveau. Das Repertoire bestand oft aus Bearbeitungen aktueller Kompositionen, die meist von den Kapellmeistern selber geschrieben wurden, weil die Besetzungen stark variierten. Da die Militärorchester aber sehr populär waren und stark zur Verbreitung aktueller Werke beitrugen, schrieben auch viele namhafte Komponisten gelegentlich Stücke für diese Besetzung, so z.B. Tschaikowski, Bruckner und Richard Wagner.

Gleichzeitig wurden auch viele zivile Amateur-Blasmusiken gegründet, die meist das selbe Repertoire spielten wie die professionellen Orchester, diesem aber oft nicht gewachsen waren. Auch wenn dies zu einer starken Abwertung des Prestiges der Blasmusik führte (was leider bis heute nachwirkt), wurden Blaskapellen bald zu einem festen Bestandteil des bürgerlichen Lebens in Deutschland.

20. Jahrhundert “Blasorchester”

Die ersten Gruppen von Komponisten, die sich mit Originalwerken für Blasorchester abseits der Marschmusik befaßte, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Engländer Gordon Jacob, Gustav Holst und Percy Grainger. Ihre Musik ist volksmusikartig und verwendet häufig vorklassische Formen wie Suiten und Divertimenti. Die Blechblasinstrumente werden nicht mehr nur als Dreiklangverstärker eingesetzt, sondern als Melodieinstrumente. Unter ihrem Einfluß entwickelte sich das amerikanische Schulmusikwesen, welches eine enorme Breitenwirkung erzielte, und die ‘Concert Band’ zum festen Bestandteil der musikalischen Jugendarbeit machte. Im Gegensatz zum europäischen verlor das amerikanische Blasmusikwesen dabei nie den Kontakt zur Avantgarde. Führende amerikanische wie europäische Komponisten wie Aaron Copland, Olivier Messiaen, Karlheiz Stockhausen und viele andere schufen Auftragswerke.

In Deutschland ging die Hochzeit der Militärmusiken nach dem ersten Weltkrieg zu Ende. Zurück blieben die schon erwähnten Amateur-Kapellen, deren Niveau und Ansehen jedoch mit dem der großen Militärorchester nicht mithalten konnte. 1926 rief Paul Hindemith seine Komponistenkollegen auf, für das Donaueschingen Musikfestival Werke für ziviles Blasorchester zu schreiben. Aufgeführt wurden schließlich Stücke von Krenek,Toch und Hindemith. Außerhalb Deutschlands entstanden zur selben Zeit große Bläserwerke von Strawinsky, Resphigi und anderen. Bedauerlicherweise hatte diese Entwicklung jedoch keinerlei Einfluß auf die Amateurmusik. Die aufgeführten Werke kehrten erst lange nach dem zweiten Weltkrieg über den Umweg über Amerika in das Repertoire deutscher Blasorchester zurück.

Musikvereine und Blaskapellen

Stattdessen entstand in Deutschland eine an Militär- und Volksmusik orientierte spezifische Literatur für Amateur-Blasorchester. Seit den 30er-Jahren wurden auch die Instrumente der Saxophonfamilie immer häufiger in Blasorchestern eingesetzt. In den 50er-Jahren erlebte die Blaskapelle in dieser Form in der Bundesrepublik einen regelrechten Boom. Eine Vielzahl von Literatur für diese Besetzung entstand, die jedoch weiterhin von Unterhaltungsmusik geprägt war. Ein Großteil der damals gegründeten Musikvereinen ist auch heute noch aktiv. Durch die Gründung von Großverlagen glichen sich auch die bis dahin völlig uneinheitlichen Besetzungen an, auch wenn es heute noch starke regionale Unterschiede gibt. Von den Militär- und Polizeiorchestern abgesehen sind heute die meisten Blasorchester in Deutschland Amateurorchester, oft handelt es sich um reine Jugendorchester.

Sinfonische Blasorchester

Seit den 90er-Jahren läßt sich eine erfreuliche Entwicklung weg von der reinen Unterhaltungsmusik zur anspruchsvolleren Bläsermusik beobachten. Viele Musikvereine wenden sich vermehrt komplexeren Kompositionen zu und zeitgenössische Originalkompositionen finden Eingang in das Repertoire. Ausdruck dieses Trends sind die zahlreichen Umbenennungen von Musikvereinen in Sinfonische Blasorchester sowie die Gründung größerer regionaler Blasorchester in denen oft (halb-) professionelle Musiker und ambitionierte Laien gemeinsam musizieren. Mittlerweile bieten auch einige Hochschulen das Studienfach “Blasorchesterleitung” an, so dass man auch in Zukunft auf eine ständige Weiterentwicklung des vielseitigen und oft unterschätzten Klangkörpers “Blasorchester” hoffen kann.

Quellen

Suppan, Das Neue Lexikon der Blasmusik, Freiburg-Tiengen 1994
Handbuch der Blasmusik, Mainz 1986
Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Harmoniemusik, http://de.wikipedia.org/wiki/Blasmusik)

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