Wir wissen heute einiges darüber, wie positiv sich eine moderne Fehlerkultur auf Engagement, Produktivität und Fluktuation von Musikern in Orchestern und Vereinen auswirkt. Wie kommst du als Führungskraft (z.B. Dirigent, Vorstand, Jugendleiter, Musiklehrer) zu einer Fehlerkultur, die nicht auf Schuldzuweisungen basiert, sondern konstruktiv ist? Welche Softskills benötigen hierzu alle Beteiligten?

Wenn Fehler immer nur verteufelt und als Rückschläge betrachtet werden, gerät früher und nicht erst später auch das zwischenmenschliche Klima in eine Gesundheitskrise. Dabei kommt es nicht auf die Anzahl der Beteiligten an: Eine fehlende Fehlerkultur kann sich in einem Team von zwei Menschen ebenso negativ auswirken wie in einer Vorstandschaft oder einem Orchester oder Verein mit vielen Beteiligten.

Wo gehobelt wird, fallen Späne: Fehlerkultur heißt Fehlerakzeptanz mit Lernprozess

Wenn jemand Angst haben muss, bei einem Fehler »erwischt« zu werden, leidet erst die Motivation und anschließend dadurch die Qualität seiner Mitarbeit bzw. seiner Musik. Wenn du als Dirigent, Vorstand, Jugendleiter oder Musiklehrer jeden Fehler unerklärlich bis unverzeihlich findest, erzeugst du diese Angst und läufst außerdem an der Realität vorbei, während du dir und anderen die Stimmung verdirbst. Denn wo Menschen miteinander interagieren wird, werden auch Fehler gemacht. Nichts ist normaler.

Aber das ist noch nicht alles. Zu einer guten Fehlerkultur gehört es auch, den Impuls zu unterdrücken, »schuldige Personen« festzulegen und beim Namen zu nennen. Es ist nur menschlich, dass man nicht schuld sein möchte, aber es hat auch einen miesen Beigeschmack – vor allem, wenn es von Führungspersonen kommt.

Fehlerkultur heißt: Eine*r für alle, alle für eine*n

Ein Team steht geschlossen für die anfallenden Fehler, ohne Schuldzuweisungen und Versuche einzelner Personen, sich von einer Fehlerbeteiligung reinzuwaschen. Nur so kann man sinnvoll und konstruktiv analysieren, wie sich eine Wiederholung eines Fehlers verhindern lässt und was sich daraus an Erkenntnissen mitnehmen lässt. Nur so kann eine sinnvolle Fehlerkultur gelebt werden.

Fuck-up Events: Scheitern als Chance

Darüber sprechen, was schief gegangen ist und warum, wie man diese Erkenntnisse nutzen konnte und welche »Learnings« aus einem Scheitern gezogen werden konnten, davon handeln die Fuck-up Events der heutigen Firmen-Gründer (Start-up Szene). Denn ein produktiver Umgang mit Irrtümern und Missgriffen ist keine Selbstverständlichkeit und eine Pleite oder Insolvenz wird gerade in Deutschland oft eilig schweigend unter den Tisch gekehrt.

Doch auch Fehlerkultur ist dem ständigen Wandel unterworfen und in den letzten Jahren hat sich viel getan. Längst sind aus Scheitern gewonnene Erkenntnisse und die für eine gute Fehlerkultur nötigen Skills nicht mehr solchen Events vorbehalten: Fehler sind Teil des großen Ganzen und bringen uns voran, wenn wir sinnvoll damit umgehen.

Beispiel: https://www.fuckupnights.com

 

Fehlerkultur – fünf goldene Regeln für ein gutes Klima

1. Fehler passieren, und das ist normal

Fehler sind in der Regel nicht das Ergebnis von Versagen oder Nachlässigkeit, sondern Bestandteil des Alltags. Sie entstehen, weil Annahmen nicht zutreffen oder Aufwand falsch eingeschätzt wurde, Kommunikation vergessen wurde oder Erfahrungen fehlen, Aufgaben nicht optimal sind oder externe Faktoren hinzukommen.

2. Fehler passieren, und das ist gut

Sogar Fehler, die aus Faulheit und Nachlässigkeit geschehen, sind in erster Linie eine Möglichkeit, bestehende Abläufe zu analysieren und nach Möglichkeit zu verbessern, indem beispielsweise Zielvorgaben angepasst oder Aufgaben umverteilt werden. Nur wer gar nichts macht, macht keine Fehler. Wer das verstanden hat, geht locker mit der Fehlerkultur um.

3. Fehler passieren auch den Führungspersonen

Wer zu den eigenen Fehlern steht, statt sie hastig zu vertuschen, wirkt nicht unfähig, sondern vertrauenswürdig. Immer vorausgesetzt, das Eingeständnis geht Hand in Hand mit einer Lösung: Dann zeigt der souveräne Umgang mit den Sachen, die im Alltag danebengehen, vor allem Kompetenz und Lernfähigkeit. Besonders als Führungsperson.

4. Fehler passieren allen, aber nicht alle sind gleich

Es gilt für eine Führungsperson immer individuell abzuwägen, ob ein Fehler eine offene Diskussion mit dem ganzen Team auslöst oder lieber eine persönliche Ansprache unter vier Augen mit der betreffenden Person. Wichtig ist aber immer, niemanden an den Pranger zu stellen, sondern ein positives und konstruktives Kritikverhalten vorzuleben.

5. Fehler passieren von selbst, Fehlerkultur nicht

Führungspersonen prägen den Umgang mit Fehlern und legen fest, auf welchem Weg Feedback und Kritik integriert werden. Die Führungsperson ist verantwortlich für positive Kommunikation im Rahmen der Fehlerkultur, das Bestreben um Verhaltensänderungen und eine sinnvolle fördernde Anerkennungskultur – oder das Einholen von externer Hilfe und Mediation, wo nötig.